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9. Motivieren

Viele Schüler*innen haben Schwierigkeiten, für euer Unterrichtsfach gute Gefühle zu entwickeln. Mehr noch: Für viele Schüler*innen ist euer Unterrichtsfach ausgesprochen negativ besetzt: es erscheint öde, weckt Schuldgefühle („Ich müsste mehr tun.“) oder macht sogar Angst („Ich werde wieder versagen.“). Viele Schüler schaffen es nicht, ohne Hilfe diese negative Bewertung zu überwinden und sich zu motivieren. Wenn ihr an solche Schüler geratet, seid ihr gefordert.

Folgendes solltet ihr bei eurer Motivationsarbeit bedenken:

1. Macht keinen Stress!

Lernen gelingt am ehesten in einer stressarmen Umgebung. Angst ist ein schlechter Lehrmeister. Was Angst macht, wird gemieden, verdrängt, vergessen. Angst führt zur Blockade des Gehirns.

  • Vermeidet Überforderungen! Verlangt nicht zu viel auf einmal. Dosiert den Lernstoff sinnvoll. Lasst den Schüler*innen Zeit zum Lernen.
  • Verzichtet auf Drohungen! – „Also, das müsst ihr jetzt unbedingt lernen. Das braucht ihr nämlich für die Klassenarbeit. Wer das nicht kann, hat keine Chance.“ – Solche Versuche, Interesse zu wecken, sind leider verbreitet.
    Wer will, dass seine Schüler*innen wirklich etwas lernen, verzichtet möglichst auf solche Negativ-Motivationen. Wer mit Klassenarbeiten, negativen Bewertungen oder Nicht-Versetzungen droht, provoziert Gegenwehr statt zu motivieren.
  • Hütet euch vor Beschimpfungen („Du bist zu ...“) und Schullaufbahnempfehlungen („Du gehörst nicht auf diese Schule.“). Solche Äußerungen sind nur destruktiv und in den meisten Fällen eine völlig überzogene Anmaßung. Wenn ihr der festen Überzeugung seid, dass ein*e Schüler*in dauerhaft überfordert ist, sucht das Gespräch mit der jeweiligen Fachlehrkraft.

  • Weist immer wieder darauf hin, dass Fehler erlaubt sind: „Fehler gehören zum Lernen dazu.“ „Wer Angst vor Fehlern hat, kann nicht gut lernen.“ „Es wird niemand ausgelacht, wenn er einen Fehler macht.“

2. Macht Mut!

„Das ist doch wieder das, was ich im Unterricht schon nicht verstanden habe!“ „Dieses dröge Thema!“ „Superkompliziert!“ „Das liegt mir nicht.“ „Ich kann das nicht.“ „Ich brauch das eh nicht.“ – Wenn eure Schüler solche negativen Einstellungen haben, sollten die erst einmal bearbeitet werden:

Versucht herauszufinden, warum eure Schüler den Stoff ablehnen: Ist es die Angst, wieder einmal zu versagen? Ist es eine verfestigte, pauschale Abneigung dieses Stoffes? Ist es allgemeine Langeweile?

Wenn ihr herausbekommt, was das Lernen erschwert, könnt ihr darauf direkt eingehen und die Blockade ein wenig aufweichen. Dabei könnt ihr verschiedene Möglichkeiten nutzen:

  • Verweist auf eigene Erfahrung mit Lernschwierigkeiten und ihre Lösung! („Damit hatte ich auch zuerst Probleme. Wenn man aber einmal den Kniff raus hat, ist das alles kein Problem mehr!“)

  • Relativiert Befürchtungen! („Keine Angst! Klingt viel komplizierter als es ist!“ „Das wirkt für viele auf den ersten Blick sehr schwierig!“ „In wenigen Minuten werdet ihr ganz anders darüber denken!“)

  • Verweist auf bereits Erreichtes! („Letzte Woche habt ihr ganz ähnliche Aufgaben ohne große Schwierigkeiten gelöst!“)

  • Tröstet und ermuntert! („Lass dich vom schlechten Abschneiden in der Arbeit nicht entmutigen! Du bist auf einem guten Weg!“)

Wichtig ist natürlich, dass dieses Motivationsvokabular mit Inhalt gefüllt wird. Mit hohlen Floskeln ist niemandem geholfen.

3. Macht Werbung!

Lehrer*innen sind oft wie Verkäufer, die eine Ware anbieten, an der zunächst niemand Interesse hat. Deshalb müssen sie werben: Sie müssen ihr Produkt anpreisen und zeigen, warum man es unbedingt braucht. Sie müssen zeigen, dass es Spaß und Spannung bringt, gut schmeckt und eine Top-Figur macht. Kurz: Sie müssen dafür sorgen, dass der jeweilige Lernstoff mit positiven Erwartungen verknüpft wird.

Das klingt leichter als es ist. Wie erreicht ihr, dass Schüler*innen das Lösen quadratischer Gleichungen als lustvoll wahrnehmen? Wie sorgt ihr dafür, dass sie Konjugationen als emotional wohltuend erleben?

Hier ist eure Kreativität gefragt: Präsentiert den Stoff so, dass er in irgendeiner Weise attraktiv (oder zumindest weniger hässlich) erscheint. Ihr habt verschiedene Möglichkeiten:

  • Macht deutlich, was erreicht werden soll! Eure Schüler*innen müssen erfahren, wohin die Reise geht und warum das ein lohnenswertes Ziel ist. („Ich sag’ euch, wozu wir das brauchen ...“)
    siehe auch Abschnitt 4
    Verknüpft mit bekannten, positiver besetzten Lernstoffen! („Ihr wisst schon eine Menge hierzu! Euch ist klar: ...“)
    Weckt Neugier! („Das ist ein genialer Lösungsweg! Passt mal auf!“)
    Findet konkrete (vielleicht auch lustige) Anwendungsbeispiele! („Stellt euch vor: ...“)
    Nutzt spielerische Unterrichtsmethoden! („Das lernt ihr spielend!“)
    siehe auch Abschnitt 8

Gelegentlich könnt ihr auch mit Belohnungen arbeiten: „Wenn ihr das alle verstanden habt, schmeiß’ ich `ne Runde Mandarinen!“ (oder was auch immer das Obst der Saison sein mag).

4. Gebt positive Rückmeldungen!

Nichts ist ermutigender als Erfolg. Leider sind die meisten Lernerfolge so unscheinbar, dass sie gar nicht richtig wahrgenommen werden. Die kleinen alltäglichen Fortschritte werden zu selten gewürdigt.

Das gilt nicht nur für die Schüler*innen selbst, sondern auch für ihre Lehrer*innen: Das Richtige wird von Lehrer*innen vielfach als selbstverständlich angesehen (und damit auch oft übersehen!), das Falsche dagegen ausdrücklich bemängelt. Wenn Schüler*innen Rückmeldung erhalten, dann in der Regel in negativer Form: „So geht das nicht ...“, „Das ist Quatsch!“. Lob gibt es wenig. Für viele: zu wenig.

Ihr könnt es besser machen. Lobt eure Schüler*innen, wann immer sich Gelegenheit dazu bietet. Lobt, was sie schon können. Lobt, was sie gerade richtig gemacht haben. Lobt, wie schnell sie sich etwas Neues erarbeitet haben. Lobt, wie gut sie mitarbeiten. Etc.

Doch auch hier gilt: Das Lob muss echt und begründet sein. Ein aufgesetztes, „strategisches“ Lob wird schnell durchschaut und entwertet.

Das (echte!) Lob ist der erste Teil der positiven Rückmeldung. Der zweite Teil sind Verbesserungsvorschläge: Zeigt auf, woran noch gearbeitet werden sollte.

Um es deutlich zu sagen: Ihr sollt nicht kritisieren, was schlecht war, sondern deutlich machen, was besser werden kann. Das ist nicht das Gleiche! Die Kritik richtet den Blick zurück, der Verbesserungsvorschlag richtet ihn nach vorne.

Das ist der entscheidende Unterschied:

Ihr zeigt keinen Fehler, sondern eine Perspektive.

Dabei ist wichtig, dass ihr die Perspektive positiv formuliert: Sagt nicht, was eure Schüler*innen in Zukunft nicht mehr machen sollen, sondern sagt, was sie machen sollen.

Also nicht: „Du sollst nicht mehr ...“, „Mach nicht den Fehler, dass du ...“
Sondern: „Achte noch mehr auf ...!“ „Wiederhole noch einmal ...!“ „Unterscheide genauer ...!“ „Du wärst noch sicherer, wenn du ...“

Warum das wichtig ist? – Wenn man sich vornimmt, einen Fehler zu vermeiden, behält man ihn länger im Gedächtnis und wiederholt ihn auch gerne noch einmal.

Kurz: Eure Schüler*innen sollen sich vornehmen, das Richtige zu tun, statt das Falsche zu lassen.

Weil es zunächst vielleicht noch ungewohnt erscheint, noch einige Beispiele für positive Rückmeldungen:

(Lob): Ich habe den Eindruck, dass du die o-Deklination gut drauf hast.

(Verbesserungsvorschlag): Schau dir aber noch einmal den Genitiv Singular an. Da kannst du noch souveräner werden.

(Lob): Prima! Du hast fast alle Aufgaben richtig gerechnet.

(Verbesserungsvorschlag): Ich an deiner Stelle würde aber noch mal die Aufgaben zur zweiten binomischen Formel wiederholen.

(Lob): Der Aufbau der Inhaltsangabe ist dir völlig klar. Du erkennst, was wichtig ist, und kannst das gut in eigenen Worten wiedergeben.

(Verbesserungsvorschlag): Was wir noch üben müssen, ist die Themenbestimmung. Die ist manchmal etwas knifflig.

Wenn ihr das Gefühl habt, dass an einer bestimmten Leistung eigentlich nichts zu loben ist, solltet ihr natürlich nicht auf Krampf irgendetwas Positives heraussuchen (Etwa: „Du sprichst fließend Deutsch.“ Oder: „Du kannst die Zahlen von 1 bis 10 leserlich schreiben.“). In einem solchen Fall kommt direkt zum Verbesserungsvorschlag (der dann natürlich grundsätzlicher sein muss). Also etwa: „Ich habe den Eindruck, wir müssen uns diesen Aufgabentyp noch einmal ganz in Ruhe anschauen.“

Wenn ihr euch diese Art der positiven Rückmeldung angewöhnt, werdet ihr bald feststellen, dass eure Schüler mehr Selbstvertrauen entwickeln und ihre Bereitschaft an sich zu arbeiten, stark zunimmt.

5. Bittet unmotivierte Schüler*innen zum Gespräch!

Wenn ihr merkt, dass einzelne Schüler*innen über einen längeren Zeitraum immer nur halbherzig mitarbeitet, bittet sie zum Gespräch. Aber unbedingt unter vier Augen!

Macht deutlich, dass das Leben schwer wird, wenn es keine Eigeninitiative gibt. Und fragt nach, ob ihr helfen könnt, einen besseren Zugang zum Fach zu entwickeln. Oft sind solche Gespräche eine große Hilfe.