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3. Die allererste Stunde gestalten

Die allererste Stunde sollte sehr gründlich vorbereitet sein. Ihr solltet nicht auf euer Improvisationstalent vertrauen, sondern sehr genau überlegen, was ihr machen wollt, vor allem aber, wie und auch wo ihr es machen wollt.

1. Akzeptiert Aufregung!

Die allererste Stunde ist für alle Beteiligten aufregend. Wenn ihr vor der Stunde feuchte Hände habt, im Magen ein leichtes Rumoren verspürt oder errötet, sollte euch das nicht irritieren. Das gehört dazu. Auch ausgewachsene Lehrer*innen kennen diese Begleiterscheinungen beim „ersten Mal“.

2. Bereitet die Sitzordnung vor!

Vielleicht fällt euch der Einstieg leichter, wenn ihr vor euren Schüler*innen im Raum seid und Tische und Stühle schon einmal so stellen könnt, wie ihr sie gerne hättet. So verhindert ihr auch, dass eure Schüler*innen sich im ganzen Raum verteilen und eure erste Aktion eine (unter Umständen sehr lehrerhaft anmutende) Umsetzung ist.

Für die erste Stunde ist in jedem Fall anzuraten, dass ihr euch gemeinsam an einen (großen) Tisch setzt. Es erleichtert das Kennenlernen ungemein, wenn alle das Gefühl haben, dass sie zusammensitzen. Später kann die Sitzordnung sicher auch variiert werden. Wenn ihr viel an der Tafel arbeitet, ist es oft besser, wenn alle Schüler mit dem Gesicht zur Tafel sitzen.

Folgendes solltet ihr immer beachten:

  • Es sollte keine zweite Reihe eröffnet werden. Dadurch würdet ihr die Gruppe in „Vordere“ und „Hintere“ teilen, und das kann z.B. Unruhe, Konkurrenzdenken oder Versteckspiele zur Folge haben.
  • Es darf kein*e Schüler*in durch die Sitzordnung isoliert werden. Achtet darauf, dass sich niemand zurückgesetzt fühlt.
  • Die Distanz zwischen euch und euren Schüler*innen darf nie zu groß werden. Die räumliche Distanz hat großen Einfluss auf den Kontakt. Wenn ihr euch zu sehr entfernt, schafft ihr eine unsichtbare Barriere zwischen euch und euren Schüler*innen.

Natürlich könnt ihr von Zeit zu Zeit auch einmal die Sitzordnung verändern. Niemand sollte auf seinem Stuhl festwachsen. Auch innerhalb einer Stunde kann eine Veränderung sinnvoll sein.

siehe auch Abschnitt 6.2

3. Nehmt euch Zeit fürs Kennenlernen!

Die allererste Stunde beginnt selbstverständlich mit dem Kennenlernen: Jeder stellt sich kurz vor. Dabei dürfen auch persönliche Vorlieben, Hobbies, Stärken und Schwächen zur Sprache kommen: Was macht ihr in eurer Freizeit? Wo wohnt ihr? Was könnt ihr besonders gut? Von welchem Thema habt ihr besonders viel Ahnung? – Solche Fragen könnt ihr als Anregung für die Selbstvorstellung vorgeben. Sinnvoll ist sicher auch, wenn ihr Schullust und -frust thematisiert – insbesondere im Blick auf das Unterrichtsfach, um das ihr euch kümmert.

Ihr solltet also nicht sofort geschäftsmäßig „zur Sache kommen“. Nehmt euch Zeit, ein Bild von den Schüler*innen zu gewinnen, mit denen ihr es zu tun bekommt.

Wenn ihr mit euren Schüler*innen ausschließlich über Fachliches redet, signalisiert ihr Desinteresse an ihrer Person – und das kann euch als mangelnder Respekt ausgelegt werden.
Lasst jedoch das Kennlern-Gespräch nicht ausufern: Es handelt sich nicht um eine Therapiestunde, auch nicht um eine unverbindliche Plauderei. Eure Schüler*innen sollen in der ersten Stunde nicht das Gefühl erhalten, dass im Förderunterricht vor allem gequatscht wird.
Wichtig auch: Das Kennenlernen darf nicht als pädagogische „Masche“ erscheinen. Also kein Interesse heucheln, wo keines ist! Bleibt ehrlich!

4. Ermittelt den Förderbedarf!

„Warum seid ihr hier?“ Wenn eure Schüler*innen diese Frage nicht bereits in der Vorstellungsrunde von selbst beantwortet haben, so wäre sie spätestens jetzt dran. Ihr müsst herausfinden, wo die Schwierigkeiten liegen; was zu wiederholen und zu üben ist. Ihr müsst – am besten gemeinsam mit den Schüler*innen – klären, was in dieser und in den nächsten Stunden geschehen soll.

Gelegentlich sind die Selbstauskünfte der Schüler*innen zum Förderbedarf wenig hilfreich. „Ich versteh eigentlich immer alles, schreibe aber in letzter Zeit immer schlechte Arbeiten.“, bekommt ihr vielleicht zu hören und seid damit nicht wesentlich schlauer als vorher.

Wenn eure Schüler*innen von selbst keinen konkreten Förderbedarf benennen können, müsst ihr selbst ermitteln. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  1. Ein Gespräch mit der jeweiligen Fachlehrkraft: Das solltet ihr spätestens nach, vielleicht aber auch schon vor der ersten Stunde führen! Fragt nach, wo die Schwierigkeiten eurer Schüler*innen liegen, wie am geschicktesten zu üben ist, was in nächster Zeit im Unterricht behandelt werden wird. Unter Umständen kann die Fachlehrkraft euch sogar Übungsmaterial zur Verfügung stellen.
  2. Ein Blick in die Unterrichtsunterlagen: Hier seht ihr sehr schnell, wo Lücken sind.
  3. Ein (Mini-)Test zum aktuellen Unterrichtsstoff: Ihr könnt einfach einige Aufgaben aus den Lehrmaterialien der Schüler*innen lösen lassen. Auch dabei werdet ihr sicher auf Schwierigkeiten stoßen.

Oft geht es nicht nur um kleinere, schnell zu schließende Stofflücken. Oft geht es um grundsätzlichere Defizite: z.B. die Unfähigkeit Interesse zu entwickeln, sich zu motivieren, strukturiert zu arbeiten, mit sinnvollen Techniken zu lernen. Auch hieran müsst ihr arbeiten.

siehe auch Abschnitt 12

Wenn ihr mehrere Schüler*innen betreut, habt ihr es in der Regel mit unterschiedlichen Lernproblemen zu tun. Achtet darauf, dass ihr bei der Ermittlung des Förderbedarfs alle Schüler*innen gleichermaßen berücksichtigt, nicht nur die dominanteren, sondern auch die stilleren.

Wenn ihr eine Gruppe habt, in der die Bedürfnisse auseinander gehen, müsst ihr auch überlegen, ob ihr nicht unterschiedliche Lernangebote macht.

siehe auch Abschnitt 6.8

5. Warnt vor überzogenen Erwartungen!

Manchmal erwarten Schüler von ihrem Förderunterricht eine Art Wunderheilung. Innerhalb weniger Stunden sollen sämtliche Lern-schwierigkeiten behoben sein. Solche Erwartungen solltet ihr dämpfen.

Natürlich können kleinere Probleme mit dem aktuellen Stoff schnell behoben werden, aber meist geht es ja um mehr als das. Da braucht es einen langen Atem und vor allem gute Mitarbeit.

Nebenbemerkung: Auch ihr solltet euch nicht unter Druck setzen: Natürlich ist eine Leistungssteigerung der Schüler*innen, die sich auch in den Leistungsbewertungen niederschlägt, ein Indiz dafür, dass ihr gut unterrichtet habt. Aber der Umkehrschluss gilt nicht: Wenn sich die Leistungen eurer Schüler*innen nicht verbessern, heißt das nicht, dass ihr schlecht gearbeitet habt. Ausbleibender Erfolg kann viele Ursachen haben: Die häufigsten sind fehlende Lernbereitschaft und eine grundsätzliche Überforderung.

6. Vereinbart Spielregeln!

Damit Förderunterricht gut funktioniert, müssen sich alle Beteiligten an grundsätzliche Spielregeln halten. Die meisten dieser Regeln sind allen klar, ohne dass sie jemals angesprochen wurden.

Zum Beispiel:

  • Wir verlassen den Raum so, wie wir ihn beim Betreten vorgefunden haben.
  • Wir beginnen und beenden pünktlich.
  • Wir gehen respektvoll miteinander um, hören einander aufmerksam zu und unterbrechen nicht.
  • Fehler sind erlaubt! Niemand muss Angst haben, ausgelacht zu werden, wenn er etwas falsch macht. Fehler sind dazu da, dass man aus ihnen lernt. Nur wer bereit ist, Fehler zu machen, kann gut lernen.

Wenn es hier nicht irgendwann einmal zu Problemen kommen sollte, brauchen diese unausgesprochenen, allgemein gültigen Verhaltensregeln nicht thematisiert zu werden.

Anders ist es mit Regeln zu typischen Konfliktpunkten. Je früher ihr hierzu klare Vereinbarungen trefft, desto größer die Chance, mögliche Konflikte zu vermeiden. Deshalb solltet ihr am besten schon in der ersten Stunde einige klärende Worte sprechen.

Regeln könnten zum Beispiel sein:

  • Störungen haben Vorrang. Wenn irgend etwas im/am Unterricht stört, soll es möglichst direkt, offen, aber fair angesprochen werden. (Niemand soll mit der Faust in der Hosentasche im Raum sitzen.)
  • Wir machen Pausen, wenn nötig. Wer ein Pausenbedürfnis hat, sagt Bescheid. In der Regel machen wir die Pausen nach Abschluss einer Arbeitsphase.
  • Wir machen Pausen so, dass wir andere nicht stören. (Das ist wichtig, wenn in den Nebenräumen ebenfalls unterrichtet wird!)
  • Wer nicht kommen kann, meldet sich vorher ab. (Damit das funktioniert, müsst ihr unbedingt Kontaktdaten austauschen.)
  • Am Tag vor den jeweiligen Stunden treffen wir uns um ... (Zeit) im ... (Ort), um zu besprechen, was in den Stunden geübt werden soll.
    (Eine solche Regelung ist unbedingt zu vereinbaren, wenn ihr den Förder-
    unterricht eng mit dem Fachunterricht verzahnen wollt. Wenn ihr einen Tag
    vor dem Unterricht erfahrt, was jeweils anliegt, könnt ihr euch gut vorbereiten und Lernangebote machen, die euren Schüler*innen wirklich helfen. Selbstverständlich gibt es auch Unterrichtseinheiten, bei denen ein direktes Nach- bzw. Vorarbeiten im Förderunterricht nicht möglich oder nicht nötig ist. Da habt ihr dann größere Freiheiten und könnt andere Lerndefizite bearbeiten.)

7. Kommt zur Sache!

Vielleicht ist nach der Ermittlung des Förderbedarfs und der Vereinbarung der Spielregeln die Zeit schon abgelaufen. Das wäre nicht schlimm. Besser wäre allerdings, wenn ihr schon in der ersten Stunde einige Angebote machen könntet, die euren Schüler*innen ein Gefühl dafür geben, dass und wie der Förderunterricht hilft.

Wenn es euch nicht gelungen ist, im Vorfeld von der Fachlehrkraft eurer Schüler*innen Hinweise zum Lernbedarf zu erhalten, habt ihr jetzt 2 Möglichkeiten:

  1. Die Improvisation: Ihr greift aus den Lehrmaterialien eurer Schüler*innen Übungen zum aktuellen Unterrichtsstoff heraus und führt diese gemeinsam durch.
  2. Ein (vorbereitetes!) Gespräch über Lernschwierigkeiten: Ihr fragt eure Schüler*innen, wie sie für das Fach, um das ihr euch kümmert, lernen. Ob sie zufrieden sind mit ihrer Lerntechnik. Oder ob sie Verbesserungsmöglichkeiten sehen. Sicherlich könnt ihr eigene Ideen und Erfahrungen einbringen. Vielleicht habt ihr ein vorbereitetes Blatt mit Tipps zur Lerntechnik. Und eventuell kann euer Gespräch in eine konkrete Vereinbarung münden, eine bestimmte Lerntechnik einmal auszuprobieren.

siehe auch Abschnitt 12